Geschichte
der ev.-luth. Versöhnungs-Kirchengemeinde in Hinrichsfehn, Rammsfehn, Mullberg, Wiesederfehn und Wiesmoor-Süd Es handelt sich um eine gekürzte Fassung eines Berichtes von Pastor Rainer Münch. Erschienen ist der Beitrag erstmals 1996 in dem Buch „Hinrichsfehn – 50 Jahre 1946-1996“ auf den Seiten 93-103. Die Geschichte der Hinrichsfehner Kirchengemeinde ist eng verflochten mit dem Leben im Ortsteil Mullberg, der älter ist als Hinrichsfehn, für den aber der Pastor der Pfarrstelle von Hinrichsfehn seit 1969 zuständig ist. Aller Anfang ist schwer In der Geschichte der Hinrichsfehner Kirchengemeinde spiegelt sich die Geschichte des Ortsteiles und seiner Bewohner wider. Die Anfänge des kirchlichen Lebens waren, wie die des Ortsteiles überhaupt, von den Schwierigkeiten eines kargen Anfanges, aber auch nachbarschaftlicher Hilfe geprägt. Die Siedler von Hinrichsfehn, die seit 1946 im Auricher Wiesmoor siedelten, gehörten zur Wiesmoorer Kirchengemeinde. Sie wurden von dort aus durch Pastor Albert Ahlers betreut. Sehr bald jedoch wünschten sich die Siedler, vor Ort Gottesdienste besuchen zu können. So wurden ab 1949 im späteren „Blauen Fasan“, der damals noch als Schulgebäude genutzt wurde, alle vier Wochen am Sonntagnachmittag Gottesdienste gefeiert. Ab 1953 fanden diese Gottesdienste dann in der neuerbauten Schule an der Oldenburger Straße statt. Zu diesem Zweck wurde ein behelfsmäßiges Gerüst mit einer Glocke auf dem Schulhof errichtet. Errichtung des Pfarrhauses und der Pfarrstelle Hinrichsfehn Zur Unterstützung von Pastor Ahlers wurde dann der Wiesmoorer Gemeinde vom Landeskirchenamt in Hannover ein Prädikant bewilligt. So kam Prädikant Ulrich Dobschall im Frühjahr 1957. Leider blieb er nur bis zum Herbst. Er wurde dabei wieder tatkräftig von seiner ältesten Tochter Erika, allgemein nur „Eta“ genannt, unterstützt und von einem Kreis Hinrichsfehner Gemeindeglieder, die Pastor Ahlers immer wieder um Mithilfe bitten konnte. Die Wiesmoorer Kirchengemeinde erwarb von der NWK ein Grundstück „einzigartig günstig“ (vgl. Sitzungsprotokoll des Kirchenvorstandes vom 11. Juli 1958) an der Ecke Oldenburger Straße/Azaleenstraße. 1959-60 wurde darauf zunächst das Pfarrhaus erbaut. Die Randlage des Grundstücks schien damals kein Problem dazustellen. Man rechnete Ende der Fünfziger, Anfang der Sechziger Jahre damit, dass im Bereich zwischen Bentstreeker Straße und Rebhuhnweg 60 Bauernstellen (!) vergeben würden. Von Oktober 1959 bis September 1961 wurde die seelsorgerische Arbeit im Ortsteil von Missionar Langholf versehen. Er war der erste Bewohner des Pfarrhauses, das er am 1. Juni 1960 bezog. Der als Amtszimmer ausgewiesene Raum wurde zu dieser Zeit zunächst als Unterrichtsraum für Konfirmanden und andere Veranstaltungen genutzt. Nach dem Weggang Langholfs entstand eine fünfjährige Vakanz, in der Pastor Ahlers und seine Tochter als Gemeindehelferin wieder die gemeindliche Arbeit im Ortsteil Hinrichsfehn versahen. Am 1. Januar 1963 wurde dann von der Landeskirche eine zweite Pfarrstelle in der Wiesmoorer Kirchengemeinde mit Sitz im Hinrichsfehner Pfarrhaus eingerichtet. Errichtung der Kirche Nachdem die zweite der beiden großen Straßen des Ortsteils, die Azaleenstraße, bebaut wurde und die 1000er-Marke erreicht hatte, wurde deutlich, dass Hinrichsfehn auf Dauer ein eigenes Kirchengebäude nötig hatte. Der Kirchenvorstand in Wiesmoor trat mit diesem Vorhaben im August an das Landeskirchenamt in Hannover heran. Ein Entwurf des Oldenburger Architekten Rainer Herrmann wurde nach kleineren Änderungen angenommen, so dass nachdem die Finanzierung in zwei Stufen beschlossen war, der Bau beginnen konnte. Der Künstler Max Herrmann übernahm die Gestaltung der Glasfenster. Die Orgel für die neue Kirche wurde bei der Firma Führer in Auftrag gegeben. Am 8. Juli 1963 wurde der Grundstein zum Bau der Kirche in Hinrichsfehn gelegt. Über die Grundsteinlegung berichtet uns ein Dokument – eine Kopie davon ist wahrscheinlich auch im Grundstein der Kirche mit eingemauert worden: Geschehen zu Wiesmoor-Hinrichsfehn am Montag, den 8. Juli 1963. Wir haben uns zur Grundsteinlegung der neuen Kirche versammelt. Unser Tun steht unter dem Bibelwort: 1. Kor. 3,11: Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. …… Am 25. April 1965, dem 1. Sonntag nach Ostern, wurde die Kirche unter der Leitung von Landessuperintendent Siefken, unterstützt von Superintendent Schaaf, Pastor Warm und Pastor Ahlers, eingeweiht. Sie bietet Sitzplätze für regulär 215 Personen. Die Baukosten der Kirche beliefen sich auf 246.000 DM. Davon brachte die Wiesmoorer Kirchengemeinde 16.000 DM aus Landverkäufen an die Neue Heimat auf. 230.000 DM finanzierte die Landeskirche Hannover. Den Schlüssel für die Kirche hatte zunächst Hinrich Freese, Lehrer i.R., als nächster Nachbar der Kirche gegenüber. Denn auch nach der Fertigstellung und Einweihung der neuen Kirche blieb das Pfarrhaus vorerst leer und die seelsorgerische Arbeit musste weiter von Wiesmoor-Mitte aus getan werden. Es fand sich in jenen Jahren des Pfarrermangels kein Bewerber für die bereits seit zwei Jahren errichtete Pfarrstelle in Hinrichsfehn. Und so wurde auch nur unregelmäßig Gottesdienst in der neuen Kirche gehalten, die dabei jedoch bis auf den letzten Platz gefüllt war. An den übrigen Sonntagen beförderte ein Kirchenbus die Gottesdienstbesucher von Hinrichsfehn nach Wiesmoor. Im Jahr 1975 wurde an die Kirche der Gemeindesaal angebaut. Er fasst an Tischen sitzend bis zu 60 Personen. Bei diesem Anbau wurde die Heizung aus dem undichten Keller ins Erdgeschoss verlegt. Am 10. Februar 1976 wurde der Anbau abgenommen und seitdem nicht nur von der Kirchengemeinde genutzt, sondern auch, wie vorher schon die Kirche, als Veranstaltungsort für Teetafeln nach Beerdigungen. Schwierigkeiten bei der Besetzung der Pfarrstelle Am 1. März 1966 konnte die Pfarrstelle in Hinrichsfehn mit dem Pfarrvikar Werner Otten besetzt werden. Dieser ging jedoch zum 1. Mai bereits wieder. Nach seinem baldigen Weggang übernahm vom 1. Mai 1966 bis zum 1. September 1967 der Hilfsgeistliche Walter Jetschmann die Pfarrstelle. Die ständige Neubesetzuing und die Vakanzzeiten auf der Hinrichsfehner Pfarrstelle wirkten sich sehr hinderlich für einen fruchtbaren Gemeindeaufbau im Ortsteil aus. Diese lange Durststrecke und mühsame Anfangszeit kam erst mit dem Amtsantritt des Hilfsgeistlichen Harald Mundt im November 1967 an ihr Ende. In den folgenden sieben Jahren legte H. Mundt, der als erster Pastor länger blieb, den Grundstein für eine zusammenhängende und beständige Gemeindearbeit. 1969 wurde die Wiesmoorer Gemeinde in zwei Pfarrbezirke aufgeteilt. Pastor Mundt war für den südlichen Bezirk zuständig, zu dem Hinrichsfehn und Mullberg gehörten. In seine Amtszeit fällt die Gründung des Kirchenchores. Im Pfarrgarten wird die Eternit-Garage errichtet. Pastor Mundt wurde im April 1974 ins Superintendentamt nach Esens berufen. Am 1. September 1974 übernahm der Hilfsgeistliche Walter Scheller die Pfarrstelle in Hinrichsfehn. Er blieb bis zum Februar 1976. Zu Beginn seiner Amtszeit wurdenim Frühjahr 1975 durch den alleinigen Einsatz der Gemeindeglieder die Gartenanlagen um die Kirche neu angelegt. Die zweite Phase einer kontinuierlichen Gemeindearbeit stellte die Amtszeit von Henning Buchhagen dar, der in Hinrichsfehn antrat und im Sommer 1994 in die Gefängnisseelsorge nach Celle wechselte. Diese Zeit war stark geprägt von kreativen und musischen Aktivitäten, die von Erika Buchhagen, der Ehefrau des Amtsinhabers, mitgestaltet wurden. 1985 nahm die Kinderbetreuung ihre Arbeit im Gemeindesaal auf. Nicht zuletzt von der Verarbeitung des Schocks, den das Flugzeugunglück von 1989 in den Ortsteilen auslöste, waren diese Jahre mitgeprägt. Die Gründung der Versöhnungs-Kirchengemeinde Hinrichsfehn Am 1. Oktober 1987 wurde die Versöhnungs-Kirchengemeinde Hinrichsfehn gegründet. Sie umfasst die Ortsteile Hinrichsfehn und Mullberg. Die Trennung von der Muttergemeinde in Wiesmoor-Mitte führte auch finanziell zu einer Verbesserung der Verhältnisse für beide Gemeinden. Mit der Gründung der neuen Gemeinde galt es zur besseren Unterscheidung, den beiden Kirchen einen Namen zu geben. Der Kirchenvorstand von Hinrichsfehn und Mullberg entschied sich für den Namen VersöhnungsKirche, die Mutterkirche in Wiesmoor erhielt den Namen Friedenskirche. Nach dem Weggang von Pastor Buchhagen trat nach einer fast einjährigen Vakanzzeit Pastor Rainer Münch sein Amt als Pastor in Hinrichsfehn und Mullberg an. Er war der erste Pastor, den der Kirchenvorstand der neugegründeten Gemeinde wählte. Er wurde zusammen mit seiner Frau nach gutem ostfriesischem Brauch am 1. Juli 1995 unter reger Beteiligung der Gemeinde an der Gemeindegrenze auf dem Hof Sanders an der Bentstreeker Straße in Mullberg eingeholt und per Kutsche durch Mullberg und Hinrichsfehn gefahren. Vor seiner Amtsübernahme Anfang 1995 wurde das Pfarrhaus nach 35 Jahren innen grundrenoviert. Die alte Eternit-Garage im Pfarrgarten wurde weggenommen. Die VersöhnungsKirche in der Öffentlichkeit des politischen Geschehens Kurz nach der Abtrennung von der Muttergemeinde ereignete sich am 13. Januar 1989 das schwere Flugzeugunglück über Hinrichsfehn. Nach dem anfänglichen Schock formierte sich der Protest gegen eine solche Gefährdung der Zivilbevölkerung von der Versöhnungs-Kirchengemeinde aus. Federführend war dabei in den ersten Tagen Pastor Buchhagen. Er sprach im Gottesdienst am folgenden Sonntag das aus, was viele vor Ort fühlten und dachten. Die Glocken der VersöhnungsKirche läuteten in den folgenden Wochen jeden Tag ab 9.52 Uhr, dem Unglückszeitpunkt, für eine halbe Stunde. Am Montag nach dem Unglück fand eine Bürgerversammlung in der VersöhnungsKirche unter der Leitung von Pastor Buchhagen statt. Es kamen 400 Bürger in die überfüllte Kirche. In dieser Versammlung wurde eine Bürgerinitiative in den Blick genommen. Die konstituierende Sitzung der „Wiesmoorer Bürgerinitiative gegen Tiefflüge“ fand am 19. Januar im Gemeindesaal der Kirchengemeinde statt. Die von ihr formulierte Resolution gegen Tiefflüge wurde von 10.866 Bürgern unterzeichnet. In der Sendung „Tiefflug – Was sich seit Wiesmoor verändert hat“ des dritten Fernsehprogramms brachte das Ehepaar Buchhagen am 22. Januar in einem Rundgespräch Gedanken und Gefühle anlässlich des Absturzes zur Sprache. Das Unglück von Hinrichsfehn gab den letzten Ausschlag für eine erhebliche Reduzierung der Tiefflüge in der Bundesrepublik. |
Archivbilder zur Grundsteinlegung
8. Juli 1963 Klick auf das Bild um zu vergrößern Einholung der Glocken
26.5.1964 Klick auf das Bild um zu vergrößern Die Glasbetonfenster an der Südseite
Klick auf das Bild um zu vergrößern Die Glasbetonfenster an der Nordseite
Klick auf das Bild zum vergrößern Bleiglasfenster "Himmelswiese"
von Max Herrmann Klick auf das Bild um zu vergrößern Die Kirche heute in der Gesamtansicht
Klick auf das Bild um zu vergrößern Die Orgel
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